8) FRIEDA ZIEGENHAGEN: Scheel / Becker; FRIEDA ist ein außergewöhnlich langes Leben zuteil geworden. Es umfasste das gesamte 20. Jahrhundert. Ihr Lebenslauf ist weiter unten auf dieser Seite nachzulesen.
9) RUDOLF ZIEGENHAGEN: Wendt / Zimmermann
10) HELENE ZIEGENHAGEN: Koltermann / Bacher / Zeiher
Freud und Leid 2021 Wir haben Abschied genommen von
Eva Storm-Koltermann, geb. Hansen, *27.9.1940 +24.4.2021
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Ein Leben in drei Jahrhunderten: Frieda Scheel geb. Ziegenhagen
3.11.1899 – 22.4.2005
Zehn Kinder zu haben war in der Zeit, als Frieda Ziegenhagen geboren wurde, nichts Außergewöhnliches. Sie war die Nummer 8.
Geboren am 3.11.1899 im pommerschen Dorf Brüsewitz, 15 km östlich von Stargard, Kreis Saatzig, wuchs Frieda mit fünf Brüdern und vier Schwestern zu einem kräftigen und intelligenten Kind heran. In der einklassigen Brüsewitzer Dorfschule glänzte sie meistens als Lehrer Mitzlaffs beste Schülerin. Als Freizeitvergnügen standen für Frieda Radfahren und Schlittschuhlaufen hoch im Kurs.
Ein besonderes Ereignis für alle landverbundenen, bodenständigen, monarchistischen Pommern war der Besuch von Kaiser Wilhelm II und seiner Familie in Stargard anlässlich der Einweihung der Marienkirche. Aus allen Richtungen kamen die Schulklassen angereist. So auch aus Brüsewitz. Kaiser, Stadtatmosphäre, Cafébesuch inklusive moderner Toilette mit Wasserspülung - welch ein erlebnisreicher Tag für Frieda!
Warum und woran Frieda in der Zeit ihres Konfirmandenunterrichts im Jahr 1913 schwer erkrankte, wurde nie herausgefunden. Sie erholte sich jedoch rechtzeitig, um im Herbst 1913 von ihrem Taufpastor Alexander Berendt eingesegnet zu werden.
Auf dem Brüsewitzer Hof der Familie erwarb sich Frieda früh hauswirtschaftliche Kenntnisse und Kochkünste. Auch eine Aussteuer wurde langsam aufgebaut. Mit 17 Jahren ergänzte sie dieses Fundament um eine Ausbildung im Nähen. Dazu ging sie nach Stargard, wo sie bei ihrem Bruder Fritz in der Gneisenaustraße wohnte. Den gehobenen Schliff erhielt sie auf dem Gut Barskewitz des Barons Gans, Edler Herr von und zu Putlitz. Hier nahmen sie der Administrator Peters und seine Frau 1920 unter ihre Fittiche und machten sie mit den Raffinessen anspruchsvoller Haushaltsführung vertraut. Von Tischdekoration, Tischdecken und Sitzordnung über die Zubereitung von Speiseeis unter völlig anderen Bedingungen als heute bis zur Wurst- und Schinkenherstellung sowie dem Backen und Garnieren von Torten lernte sie alles und konnte nach einem Jahr bedenkenlos jedem Haushalt vorstehen.
Hinzu kamen Reisen in den Spreewald, wo ihre Schwester Grete eine alte Exzellenz betreute oder nach Mecklenburg, wo wiederum Grete einem vornehmen Haushalt als Wirtschafterin vorstand. Auch in Greifswald hielt sich Frieda gern auf. Dort gehörte ihrer Tante Martha, der Schwester ihrer Mutter, die „Erste Berliner Dampfbäckerei“. Sogar die beschwerliche Reise durch den „Korridor“ hielt Frieda nicht davon ab, ihren Bruder Gustav, Zollvorsteher in dem kleinen ostpreußischen Ort Wondollek in der Johannisburger Heide zu besuchen. Außerdem ergab sich immer ein Grund, nach Stettin zu fahren, wo drei von Friedas Geschwistern wohnten.
Im Jahr 1924 traf Friedas Lebenslinie zusammen mit der des Stargarder Schmiedemeisters Artur Scheel, der kurz vor der Übernahme des elterlichen Betriebs in der Jobststraße stand. Seine Mutter war ein Jahr zuvor gestorben, so dass Vater und Sohn hocherfreut waren, als sie in Frieda nicht nur eine gute Ehefrau, sondern auch einen tüchtigen Hausvorstand und eine Bereicherung für das ganze Unternehmen fanden. Geheiratet wurde am 27.11.1924. Sofort wehte ein anderer Wind im Hause Scheel. Die Mahlzeiten wurden im Ess-Wohnzimmer eingenommen. Die saubere Tischdecke und Essbesteck waren tägliche Selbstverständlichkeiten.
Mit dem neuen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg zog 1925 in Deutschland der Fortschritt ein, auch im Hause Scheel. Gestartet wurde bescheiden mit einem NSU-Motorrad, dem ein Jahr später eine 500er D und 1930 ein Hanomag folgten. Diese Entwicklung passte sich der wachsenden Familie an. Am 1.6.1927 freuten sich Frieda und Artur über Sohn Eckard und am 25.8.1930 über Tochter Lydia. Später gesellte sich noch der Nachkömmling Dieter, geboren am 3.8.1939, dazu. Den Rahmen für die Familienidylle bildeten der Schäferhund Asko, etliche Schönheitsbrieftauben und Legehühner, die von einem preisgekrönten Hahn bei Laune gehalten wurden.
Politisch war man deutsch-national eingestellt und Mutter Frieda Mitglied im Luisenbund bis zu dessen Auflösung.
Es ging voran. Das Scheelsche Grundstück wurde um neuerrichtete Mietgaragen bereichert. Auf den Hanomag folgte ein Fiat. Mit ihm unternahm die Familie Sonntagsausflüge zum Schiffshebewerk Niederfinow und zum Rügendamm. Besonderen Erlebniswert hatten die Reisen nach Berlin. Dort besuchte man nicht nur Friedas Bruder Gustav mit Familie, sondern auch Automobilausstellungen unter dem Funkturm, die Avus, den Zoo, das KaDeWe, den Dachgarten von Karstadt und, und, und...
Führerschein von Frieda Scheel, geb. Ziegenhagen vom 25.März 1930, einer der ersten für Frauen in Stargard
Frieda Scheels Leben war auch geprägt von Feiern. 9 Geschwister, alle verheiratet und mit Kindern, das bedeutete 10 Elterngeburtstage und viele Geburtstage und Konfirmationen der Nichten und Neffen. Auch bei Frieda wurde Gastfreundschaft groß geschrieben. Im Haus ihrer Familie fanden viele schöne Feiern statt.
Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs brachte eine massive Zäsur im Leben der Frieda Scheel. Als ihr Mann zum Militär eingezogen wurde, musste sie die Schmiede schließen. Mit dem Schleifen von Mähmaschinenmessern führte sie, unterstützt durch einen Lehrling, den Familienbetrieb vorübergehend mit halber Arbeitskraft weiter. Diesmal hatte sie Glück. Durch massiven Protest bei den Wehrmachtsbehörden erreichten die Bauern nach kurzer Zeit die Freistellung ihres Mannes, so dass der Schmiedebetrieb bald weiterlaufen konnte.
Mitte Februar 1945 war jedoch das Stargarder Glück der Scheels zu Ende. Die russischen Truppen standen vor der Stadt. Wie viele andere musste die Familie alles aufgeben und ihre Heimat verlassen. Es ging ums Überleben. Mutter Frieda rettete sich mit den beiden Jüngsten, Lydia und Dieter, zunächst nach Zingst ins Fischland Darß. Ende März ging es weiter nach Eschwege an der Werra. Dort fanden sich nach dem Krieg alle Scheels wieder. In dieser hessischen Kleinstadt verstarb am 14. 4.1950 Friedas Ehemann Artur. Später heirateten dort alle drei Kinder.
Als Sohn Eckard 1970 in Darmstadt ein Haus kaufte, nahm er seine Mutter mit auf. Sie lebte hier noch über 33 Jahre.
Bis zum 101. Geburtstag war Frieda überraschend rüstig. Danach verstärkten sich verschiedene Gebrechen, so dass sie im Mai 2003 in ein Darmstädter Altenheim des Diakonischen Werkes gegeben werden musste. Sie erlebte noch ihren 104. und 105. Geburtstag. Am 22.4.2005 schlief sie im 106. Lebensjahr friedlich ein.